Am Sonntag zeigt RTL Peter Jackson’s KING KONG. Ich finde den Film brillant und spreche hier mit einer etwas älteren Kritik von mir eine Sehempfehlung aus. Allerdings würde ich vom direkten Sehen bei RTL abraten. Die minutenlange Werbung zerstört garantiert einiges an Atmosphäre und Spannung. Also entweder aufnehmen und ohne Werbung schauen oder gleich die DVD einwerfen!
Hommage
Gehen wir zurück in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Warum gingen die Leute damals ins Kino, was erwarteten sie und wie fühlten sie sich nach dem Besuch? Zunächst einmal muss man sich ins Gedächtnis rufen, dass damals die Film- und Kinotechnik noch in den Kinderschuhen steckte. Man beherrschte zwar ein paar Tricks, die aber mehr auf einfachen optischen Täuschungen beruhten. Dennoch ließen sich die Menschen damit verzaubern. Die Filmemacher sprachen die Fantasie der Zuschauer an. Man baute sich den fehlenden Rest in seiner Vorstellung selbst zusammen. So war es eine kleine Sensation, als Cooper und Schoedsack mit einem für damalige Verhältnisse erstaunlich gut animierten Riesenaffen daher kamen und ihm sogar menschliche Züge gaben. Aus heutiger Sicht wirkt die Technik eher „hölzern“ bzw. unecht, doch hat dieser Film viele Jahre später einen kleinen Neuseeländer noch derart beeindruckt, dass er Filmemacher werden wollte.
Nach äußerst erfolgreicher Verfilmung der Herr der Ringe-Trilogie versuchte sich dieser Neuseeländer an einem Remake seines Lieblingsfilms. Da nun fast jeder die Kong-Geschichte kannte, galt es, das Publikum auf anderen Ebenen zu begeistern. Warum sollte man sich also nicht auf die Filmwelt der 30er Jahre besinnen und mit modernen Mitteln deren Flair wiederbeleben. Jackson wäre aber nicht Jackson, wenn er sich nur auf die reine Computertechnik verlassen würde. Nein, er setzt sich lieber über Studiokonventionen hinweg, macht seinen Film so lang und gibt so viel Geld aus, wie es nötig ist.
Peter Jackson bleibt mit seiner Geschichte dann auch gleich in den 30er Jahren von New York und streift die damaligen politischen und gesellschaftlichen Probleme. Prohibition und Armut großer Bevölkerungsteile (Wirtschaftskrise) werden gezeigt. Dies geschieht aber in einer lockeren Art und Weise ohne mit dem Zeigefinger auf irgend etwas zu zeigen. Die Szenerie ist beeindruckend mit Miniaturen, Nachbauten und CGI (Computer Generated Images) erzeugt. Man fühlt sich sofort in der Zeit. Die Farbgebung ist eine Mischung aus historischen Anleihen und genreüblichen Elementen (typische leichte Überzeichnung der Farben eines Fantasy-Films). Die wichtigen Figuren werden je mit einer kleinen „charakterprägenden“ Geschichte eingeführt. Schnell sind sie auf dem Schiff in Richtung Ungewissheit. Hier nimmt Jackson sich dann die Zeit, die Protagonisten dem Zuschauer näher zu bringen.
Mit der Landung auf der Insel beweist Jackson sein Unterhaltungstalent. Er lässt seine Mannschaft nicht einfach die Insel betreten, sondern liefert uns den ersten kleinen Höhepunkt (zum Anfüttern quasi), dem noch weitere größere Höhepunkte folgen werden. Mit seiner beeindruckenden Schiffshavarie macht Jackson mal eben TITANIC Konkurrenz und zeigt denjenigen Zuschauern, die nicht schon von den wunderbaren Anfangsbildern begeistert sind, warum sie im Kino sitzen und nicht etwa in einem Buch blättern. Auch der Sound ist gewaltig.
Die nachfolgenden Szenen zeigen nun einen weiteren wichtigen Punkt, warum die Leute früher ins Kino gingen. Das TV ermöglichte erst Jahrzehnte später fast jedem Bürger einen (Ein-) Blick in eine „ferne“ Welt. Vor 80 Jahren ging man daher ins Kino, um fremde Völker und Naturlandschaften zu erleben. Da genügte es dem Filmemacher schon, mit der Kamera einfach „draufzuhalten“ und das seltsame „Fremde“ zu zeigen. Heute bedarf es dagegen größter Fantasie, um die Leute mit atemberaubenden Kreaturen zu beeindrucken – man kennt ja schon alles! Jackson zeigt also eine fremde Kultur, die mit merkwürdigen Riten einer „unbekannten“ Macht Menschenopfer bringt.
Die Einführung King Kongs ist nun wiederum interessant. Jackson verzichtet hier auf ein billiges „BUH!“. Er zeigt das Aussehen Kongs vielmehr nebenbei in einer rasanten Fluchtszene aus der Sicht der Entführten Ann Darrow (Naomi Watts). Kong darf man getrost als bisher bestanimierten CGI-Charakter der Filmgeschichte bezeichnen. Das liegt zum Einen an der jahrelang entwickelten Technik (Gollum – Herr der Ringe), zum Anderen aber auch an der Zeit, die sich Jackson nimmt, um charakterliche Züge von Kong zu vermitteln. Es gibt mehrere bezaubernde Szenen, in denen sich Kong und Ann näher kommen.
Weniger „bezaubernd“ als „imposant“ ist der Kampf zwischen Kong und einer Tyrannosaurus Rex-Familie. Jackson hat ihn aus dem Original nicht nur einfach übernommen, sondern eben auf die Familie ausgebaut. Neben dem symbolischen Charakter kommt hier hinzu, dass es eine Steigerung zum Original geben muss. Plumpe Kopie kommt nicht in Frage. Wieder einer der vielen Höhepunkte des Films.
Weitere Höhepunkte sind das Saurierrennen und der Ungezieferangriff (köstlich: Der Koch (Gollum Andy Serkis) wird verspeist!). Wieder geht es um Schauwerte, Spannung und Sensation. Klassisches Kino eben! Für das Finale in New York nimmt sich Jackson wieder Zeit. Da es sich bei der Geschichte ja um ein klassisches Drama handelt, darf auch das retardierende Moment nicht fehlen. Mit einer wunderschönen Szene auf einem gefrorenen See im Central Park wird nochmals das Herz des Zuschauers geöffnet, bevor es zum Showdown auf dem Empire State Building kommt. Spätestens hier muss einem klar werden, dass Jackson ein Romantiker ist und der Film eine große Hommage an den Original-Film, aber auch an vergangene Kinozeit ist. Das Ende ist keine Sekunde zu lang. Die Bilder sind beeindruckend und eines Showdowns würdig.
Der Film enthält viele kleine Details, die als Hommage gesehen werden können. Nicht nur die Handlung beinhaltet Anspielungen auf großartiges Vergangenes, auch in Dialogen werden filmhistorische Personen geehrt (z.B. Cooper). In der Figur des Carl Denham (herausragend: Jack Black) sehen viele Kritiker einen Orson Wells oder gar Peter Jackson selbst.
Wenn ich hier von Peter Jackson spreche, erwähne ich quasi nur die „Spitze des Eisberges“. Lob gebührt nicht nur ihm, sondern beispielsweise auch den exzellent gecasteten und agierenden Schauspielern, der Ausstattung, den CGI-Artisten etc.. So schafft es z.B. John Newton Howard perfekt, einen Score zu komponieren, der die schon wunderbaren Bilder unterstützt, ohne zu dominieren. Auch das alte Thema kommt nicht zu kurz.
Summa summarum ist Peter Jackson`s KING KONG ein perfekter Kinofilm im klassischen Sinn … und eine brillante Hommage!
10/10 Pillen zur Entwöhnung
(auch auf kino.de)