Der Baader-Meinhof-Komplex

Leerer Bombast

Aus den Studentenunruhen Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelten sich verschiedene revolutionäre Gruppen, die teils auch gewalttätige Aktionen durchführten. Die schillerndste Gruppe war die Rote Armee Fraktion, die mit ihren drei Generationen über fast drei Jahrzehnte Terror und Tod über Deutschland brachte. Bis heute sind einige Morde ungeklärt und noch einige Mitglieder auf der Flucht. Die Aktionen der RAF führten nicht nur zu politischen Krisen, sondern zwang Deutschland auch zu Maßnahmen, die die Rechte der Bürger einschränkten. Die Geschichte der RAF ist eine Geschichte über Zukunftsangst, Ungerechtigkeit, Maßlosigkeit, Selbstüberschätzung und politische Fehler. Eine Auseinandersetzung mit ihr lohnt in jedem Fall.

Wie schon mit Der Untergang bietet uns Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger nun wieder eine relativ meinungs- und wertungsfreie Geschichtsstunde, die zwar inszenatorisch eine Reihe guter Ansätze bietet, insgesamt aber an ihrem fehlenden Ziel scheitert. Der Baader-Meinhof-Komplex (nach der gleichnamigen Vorlage von Stefan Aust) ist leider auch nur eine Aneinanderreihung historischer Ereignisse im spielfilmhaften Dokumentarstil, die zu kaum einer Zeit wirklich fesseln kann. Trotz der Fokussierung auf die erste Generation der RAF wollen Eichinger und Regisseur Uli Edel so viele historische Ereignisse und Personen unterbringen, wie nur möglich. Dabei verlieren sie den Fokus auf ihre titelgebenden Hauptfiguren und machen sie damit zu leeren Marionetten eines Actionfilms.

Dabei fing alles so wunderbar an. Die ersten Szenen um die Studentenunruhen beim Schahbesuch 1967 in Berlin und der Tötung Benno Ohnesorgs sind äußerst intensiv und kraftvoll inszeniert und lassen eine Ahnung aufkommen, was die jungen Studenten dazu bewegte, sich politisch zu engagieren und auf der Straße gegen den Staat zu protestieren. Doch neben den Hauptakteuren der Baader-Meinhof-Bande treten immer mehr Akteure in Erscheinung. Statt sich auf die Führung der Gruppe zu konzentrieren, geht der Fokus auf Nebencharaktere, selbst die sind hier hochgradig besetzt. Alexandra Maria Lara beispielsweise hat einen Kurzauftritt als Petra Schelm und lenkt so von den Hauptrollen ab. Bruno Ganz (BKA-Chef Horst Herold) gesteht man seine Rolle als Gegenspieler der Baader-Meinhof-Gruppe wiederum nicht zu.

Trotz der zweieinhalb Stunden Filmlänge bleibt kaum Ruhe und Konzentration auf das Wesentliche. Vielmehr wird im Mittelteil von einem historischen Ereignis zum nächsten gehetzt. Erst am Ende kann man erahnen, was der Film einmal hätte werden können. Die Geschehnisse rund um den Stammheimprozess besitzen in der Inszenierung wieder etwas mehr psychologische Tiefe. Hier können sich die Schauspieler ausleben, was ab und zu im Overacting gipfelt, nach der filmischen Hast zuvor aber positiv auffällt. Doch auch hier lassen die immer wieder eingebundenen Dokumentarschnipsel kaum Atmosphäre aufkommen. Die Kraft der Selbstzerstörung in der Gruppe lässt sich nur erahnen.

Die Verfilmung geschichtlicher Ereignisse birgt immer Risiken. Auf der einen Seite will man historisch korrekt sein, auf der anderen Seite aber auch ein gewisses Maß an Unterhaltung bieten. Dazu bedarf es einer Fokussierung auf eine begrenzte Anzahl von Personen, mit denen eine Geschichte erzählt wird. Daran scheitert Der Baader-Meinhof-Komplex leider. Der Film beschränkt sich auf die bombastische Inszenierung vieler Ereignisse. Erklärungen oder zumindest ein Versuch, das Handeln auch nur einer handelnden Person nachvollziehbar zu machen, fehlen fast vollständig. Ohne Vorwissen wird das Verständnis des Filmes noch schwerer. Somit ist er als Unterrichtsmaterial ebenso wenig zu gebrauchen. Einzig einige gut inszenierte Einzelszenen und die schauspielerischen Leistungen (besonders Johanna Wokalek als Gudrun Ensslin) können überzeugen. Für einen Oscar (Der Baader-Meinhof-Komplex ist deutscher Kandidat) wird das wohl kaum reichen. Obwohl …!

Übrigens: Da ich kein Journalist bin und ganz normal ins Kino gehe, bin ich auch an keinen Boykott gebunden. Dennoch verurteile ich das Verhalten des Verleihs gegenüber der schreibenden Zunft!

11 Antworten to “Der Baader-Meinhof-Komplex”

  1. Hundertprozentige Zustimmung in allen Punkten! Und genau das macht den Film im Endeffekt auch irgendwie überflüssig…

  2. Also du würdest den Film als ‚Unterrichtsmaterial‘ eher nicht empfehlen, richtig?^^
    Eventuell wollte sich mein Geschichts-LK den Film wohl zu Gemüte führen, jedoch sind wir vom Stoff her in der 12. Klasse auch bei ganz anderen Themen und ich denke nicht jeder ist mit der Geschichte um die RAF einigermaßen vertraut bei uns.
    Darum die Frage: Ob es sich für uns überhaupt lohnen würde, ihn zu sehen.
    Und wenn dann wohl nur mit vorheriger Unterrichtsvorbereitung oder?^^

  3. Ich finde der Film bietet einen guten ersten Eindruck. Allerdings ist es echt immer gefährlich solche Filme als Weiterbildung anzusehen. Eher zu empfehlen ist da der Film ‚Todesspiel‘, der sich hauptsächlich mit der Hanns Martin Schleyer Entführung befasst. Die Macher haben eine Mischung aus Doku und Spielfilm geschaffen, in dem sie reales Filmmaterial, bspw. von dem Ort der Entführung oder die Tonbandaufnahmen Schleyers in den Film mit eingebaut haben.
    Ich habe gerade eben aber auch noch eine Seite gefunden, die sich mit dem Film aber auch mit dem aktuellen Vergangenheitsboom auseinandersetzt: Baader-Meinhof Komplex

  4. In erster Linie muss BMK natürlich als Spielfilm funktionieren, was er leider nicht wirklich macht. Dass er nicht als Unterrichtsmaterial taugt, ist nur eine Nebenbemerkung von mir. Wenn man die Ereignisse einfach mal gespielt sehen will, ist man mit BMK vielleicht gut bedient. Ein spannender, mitreißender Spielfilm mit einer Geschichte ist er für mich aber nicht.

  5. Und in welcher Szene spielst du nun mit? 😉

  6. Babsi, wie das immer so ist, 3 Drehtage und doch kaum was zu sehen. Ich bin einer der Springerangestelten, die von der RAF mit „veranschlagt“ wurden. Wenn man weiß, wo man gucken muss … ansonsten … 😀

  7. na dann guck ich nachher mal ganz genau 😉
    ich dachte, einer der Studenten, da hätte man auch erstmal „Pause“ drücken müssen… Herr P. muss nun völlig babsi- und mediensucht-allein zur Sneak… mein Stundenplan liegt mal wieder nicht sneakkompatibel …
    Aber gestern waren wir in der Premiere von „Burn after reading“ und hätten auch fast Brad Pitt gesehen, wenn er gekommen wäre 😉 (obwohl mir G.C. deutlich lieber gewesen wäre… aber schon lustiger Film)

  8. […] gab es kaum etwas, was mich interessiert hätte. Zum Film habe ich dann auch gleich eine Kritik geschrieben. Daneben gab es noch einige Fernsehfilme, die trotz „Event“-Status eher zum […]

  9. Babsi, meine Schwestern trauen sich auch nicht ohne mich zur Sneak! 😉
    Pitt ist ein netter auf Premieren. Nimmt sich immer sehr viel Zeit für die Fans. B.A.R. wir auf jeden Fall noch geschaut …

  10. […] Der Baader Meinhof Komplex (Uli Edel Siehe Kritik. […]

  11. endlich haben wir den Film auch gesehen und sogar dich entdeckt!
    Ich finde, sie hätten dich im Abspann erwähnen können, immerhin war dein Auftritt ungefähr dem von Nina Eichinger vergleichbar 😉
    Ich fands einen ganz schön harten Brocken, aber zuviel Augenmerk auf Action. Die von dir erwähnte erste Szene fand ich auch sehr krass und irgendwie anders als die anderen (was sollte das mit Sunnyi Melles oder die Art des Todes von Frau Lara?)
    Die Blut- und Gewaldszenen hätten so nicht dringend notgetan, mir wäre etwas mehr Nähe zur Geschichte besser gefallen, aber das hätte wohl nicht das richtige Publikum angezogen.
    Bin mal gespannt, am Freitag wird ja wieder der Weltfilmpreis vergeben 🙂

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