Mathilde – Eine große Liebe

Es gibt so Dinge im Filmbusiness, auf die kann man sich verlassen. Wenn man beispielsweise in einen M. Night Shyamalan-Film geht, weiß man (meistens), was man zu erwarten hat. Auch die Franzosen haben einen solchen Regisseur. Die Rede ist von Jean-Pierre Jeunet, der mit Filmen wie DELICATESSEN oder AMÉLIE bewiesen hat, dass er nicht nur durch wunderbare Optik, sondern auch durch interessante Geschichten und nette Skurrilitäten überzeugen kann.

Jeunet nimmt sich mit Mathilde – Eine große Liebe eines Themas an, das lange Zeit in Frankreich ein Tabuthema war – dem 1. Weltkrieg. Noch dazu geht es um fünf Soldaten, die sich selbst verstümmelten, um den Kriegsqualen zu entkommen und zur Strafe als Kanonenfutter zwischen die Fronten geworfen wurden. Dabei hatte Jeunet diesmal dank Warner mit 57 Millionen Dollar ein für europäische Verhältnisse exorbitantes Budget zur Verfügung und konnte somit aus dem Vollen schöpfen.

Bei MATHILDE handelt es sich nicht etwa um ein reines Liebesdrama, wie man aus dem vielleicht unglücklichen deutschen Titel ableiten könnte. Nein, wir haben es hier eher mit einem Liebeskrimi mit historischem Hintergrund zu tun. Mathilde (Audrey Tautou) glaubt zwei Jahre nach Ende des Krieges nicht an den Tod ihres Verlobten Manech (Gaspard Ulliel), der einer der fünf Obengenannten war, und stellt Nachforschungen an. Dabei deckt sie geheime Wahrheiten auf und wird immer wieder zwischen Hoffnung und Enttäuschung hin- und hergerissen.

Der von Jeunet gewählte Blickwinkel macht es nötig, viel mit Rückblenden zu arbeiten, wenn es um Kriegsereignisse, aber auch um Jugend- und Liebeserinnerungen von Mathilde geht. Diese Sichtweise mit der Möglichkeit, die Wahrheit tröpfchenweise zu servieren, ist für einen Krimi natürlich sehr zuträglich. Mir war die Story aber beim ersten Sehen teilweise zu verzwickt. Dies mache ich aber nicht Jeunet zum Vorwurf, sondern mir selbst, da ich mit den vielen französischen Namen und Männern mit Schnauzern nicht immer zurecht kam! Französischkönner oder Franzosen sind hier klar im Vorteil ;o)

Audrey Tautou als Mathilde ist mal wieder bezaubernd. Sie weiß jede Gefühlsregung glaubhaft zu übermitteln. Ob es nun Traurigkeit oder Freude ist, man fühlt immer mit. Nichtsdestotrotz nimmt man ihr auch den unbändigen Willen ab, nicht an den Tod ihres Geliebten zu glauben und mit Nachdruck nach der Wahrheit zu suchen. Ab und zu kommt auch (vielleicht beabsichtigt) die Amélie zum Vorschein, wenn es etwa um eine kleine Macke von Mathilde geht…

Jeunet und Kameramann Bruno Delbonnel liefern umwerfende Bilder und somit Kino vom Feinsten! Dabei schweifen sie fast nie in den Kitsch ab. Vielmehr geben sie mit Farbgebung und Bildkomposition einen historischen Touch, ohne dabei distanziert zu wirken. Jeunet versteht es die Grauen des Krieges glaubhaft zu zeigen und sie der ländlichen Idylle Frankreichs gegenüberzustellen. Bei den Kriegsaufnahmen nimmt er keine Rücksicht auf das Gemüt der Filmseher und zeigt schonungslos, aber nicht ohne eine gewisse Ästhetik, wie schrecklich Krieg ist. An die Eröffnungsszene eines PRIVATE RYAN will er aber nicht heranreichen, was dem Film auch nicht zuträglich gewesen wäre.

Das Budget ließ zu, dass man 20 Hektar Land zu Schützengräben umbauen konnte, aber auch die Bilder aus dem Computer wurden perfekt umgesetzt. Bezaubernd auch die Musik von Angelo Badalamenti, dem Hofkomponisten von David Lynch. Kostüm und Ausstattung ließen, wie schon angedeutet, keine Wünsche offen. Ein handwerklich perfekter Film. MATHILDE fesselt aber auch durch eine spannende Geschichte, kleinen Skurrilitäten am Rande und guten Schauspielern (eine kleine Nebenrolle wurde mit Jodie Foster besetzt).

Jeunet liefet mit Un long dimanche de fiançailles (so der Originaltitel) wiederum ein kleines Meisterwerk ab. Liebhaber des großen epischen Bilderkinos werden ebenso befriedigt wie Krimiliebhaber. Ich war und bin immer noch begeistert, da der Film sogar nach mehrmaligem Sehen noch wächst. Auf Jean-Pierre Jeunet kann man sich eben verlassen ;o)

5 Antworten to “Mathilde – Eine große Liebe”

  1. Dein Beitrag hat bei mir aber die Lust auf mehr ausgelöst. Beim rumgoogeln habe ich dann auch einen Trailer entdeckt. Den stelle ich auf meine Seite , und „natürlich nur wenn es Dir recht ist “ würde gerne auf Deinen gelungen Bericht verweisen.

  2. NiRAK, klar ist das genehmigt! 😉

  3. Und dann noch, schnell, einen Dank!

  4. Hallo
    Ich habe nur eine Frage zu diesem großartigen Film. Dieses MMM, was Manech überall einritzt. Was bedeutet das? Mathilde liebt Manech kann es nicht heißen. Das wär ja MAM!?
    Danke für die Antworten

  5. MMM steht schon für „Mathilde aime Manech“ also „Mathilde liebt Manech“, das mittlere M ist dabei als lautsprachliche Abkürzung für „aime“ zu sehen.

Hinterlasse einen Kommentar