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Control

Posted in Cinemanie with tags , , , , , , , , , on Mittwoch, 9. Januar 2008 by mediensucht

Lost Control

control.jpgEin rechtzeitiger Tod ist der Freund des Musikers. Das zumindest liegt nahe, wenn man sich die Karrieren und die Berühmtheit einiger Musiker ansieht. Ganz so ist es natürlich nicht. Gewaltigen Einfluss hat auch die Musik, die der Künstler vor seinem Ableben produziert hat. Im Falle von Joy Division, deren Sänger Ian Curtis in Control porträtiert wird, kommt hinzu, dass aus der Band nach dem Tode Curtis` New Order hervor gingen, die den Namen Joy Division erst bedeutsam machten. Nun weiß man freilich nicht, was aus Joy Division ohne die tragischen Ereignisse um Curtis noch geworden wäre. Eigentlich handelt es sich bei Joy Division um eine Art Eintagsfliege, die eben den großen Hit Love Will Tear Us Apart landeten und es auf eher magere zwei Alben schafften.

Ein Fan von Joy Division war der Anton Corbijn, der angeblich wegen der Band nach Manchester zog und Musikerfotograf wurde. Später drehte er Musikvideos für viele bedeutende Künstler. Nun wagte er sich an ein Porträt von Ian Curtis und bekam Unterstützung von dessen Ex-Frau und seiner Geliebten. Eine ziemlich genaue Rekonstruktion der Ereignisse schien also gewährleistet. Man fragte sich, ob die filmische Umsetzung interessant würde.

Corbijn drehte in Schwarz/Weiß. Seine Bilder zeugen von fotografischem Können. Jede Einstellung ist fantastisch anzusehen. Man könnte meinen, es wurden einfach Fotografien zu einem Film zusammengesetzt. Der Film sieht wirklich gut aus. Das Gehirn verbindet mit den S/W-Aufnahmen automatisch etwas Historisches und teils auch Düsteres, was eine ganz spezielle Atmosphäre schafft, die der Musik von Joy Division relativ nahe kommt. Zumindest optisch ist Corbijn nichts vorzuwerfen.

Dem Film fehlt es aber an Substanz. Die eigentliche Bandgeschichte gibt nicht viel her, bei der Beschreibung des Seelenlebens von Curtis konnten die Macher nur spekulieren. Es war nie wirklich klar, was in Curtis vorging, warum er sich letztendlich umbrachte. In dieser Hinsicht bringt auch das Drehbuch auf der Handlungsebene nichts Neues. Einzig und allein Curtis-Darsteller Sam Riley ist es zu verdanken, dass man eine Bindung zur Hauptfigur bekommt. Der hervorragend besetzte und brillant agierende Riley sieht nicht nur Curtis verdammt ähnlich, er verschafft seiner Figur auch so etwas wie emotionale Tiefe. Ähnliches kann man von Alexandra Maria Lara leider nicht behaupten. Sie spielt die Freundin von Curtis und darf nicht mehr, als ihm schöne Augen zu machen. In den mit Piepsstimme vorgetragenen Dialogen zwischen den Beiden herrscht Substanzlosigkeit und emotionale Tristesse. Überhaupt scheinen die Dialoge aus dem Katalog für Daily Soaps entnommen zu sein. Hier macht sich Corbijn einiges kaputt, was er sich technisch aufgebaut hat. Ebenso trüben einige erzählerische Längen den Gesamteindruck.

Control ist optisch sehr gut umgesetzt, kann auf emotionaler Ebene aber nicht das halten, was er mit seinem Titel verspricht, nämlich den Kontrollverlust seiner Hauptfigur spürbar zu machen. Als schön anzusehendes Künstlerporträt mit einem gut aufgelegten Hauptdarsteller taugt der Film allemal. Wer sich weder für die Musik noch für schöne S/W-Bilder interessiert, kann sich den Film getrost sparen.

6/10 Pillen zur Entwöhnung

(auch auf kino.de)

The Darjeeling Limited

Posted in Cinemanie with tags , , , , , , , on Dienstag, 8. Januar 2008 by mediensucht

Bunt, skurril, schön – ein typischer Wes Anderson-Film!

darjeelinglimited.jpgEs gibt romantische Komödien, es gibt skurrile Dramen und es gibt Wes Anderson-Filme. Letztere sind keines von dem und doch alles. Wes Anderson machte schon immer Filme einer speziellen Art. Es gibt Menschen, die damit (mir unverständlich) nicht zurecht kommen und es gibt solche, die seine Filme lieben. Ich würde mich zu Letzteren zählen. Auch von Andersons neuem Film The Darjeeling Limited bin ich begeistert, hat er doch genau das, was man von einem typischen Wes Anderson-Film gewöhnt ist. Hier treibt er sein Schaffen sogar auf einen neuen Höhepunkt.

Der Film beginnt mit einem Kurzfilm, den Anderson schon 2005 gedreht hat, der aber Basis für die folgende Geschichte ist und sich gut ins Konzept einpasst. Wäre er nicht technisch (durch Abspann und Einblendungen) vom eigentlichen Film getrennt worden, dieser Aspekt wäre nicht sonderlich aufgefallen. Er stellt aber wiederum nur einen kleinen Teil der netten Spielereien von Anderson dar, die mir so gefallen.

The Darjeeling Limited handelt von drei Brüdern, die auf einer Indienzugreise wieder zu sich finden wollen. Sie haben sich zuvor ein ganzes Jahr lang nicht gesehen. Nach der Beerdigung ihres Vaters hatten sie sich aus den Augen verloren. Nun steckt jeder in einer kleinen Sinnkrise mit verschiedensten Ursachen. Diese Suche nach einem Lebenssinn und das Zusammenfinden sind natürlich klassische Themen, die man aus vielen Filmen kennt. Doch wenn sie einem so wunderbar erzählt werden wie von Anderson, schaut man den Protagonisten gerne zu.

Die Charaktere der Brüder sind gewohnt skurril angelegt. Jeder der Herren hat gleich mehrere Spleens. Der Umgang miteinander ist un- bis außergewöhnlich. Adrien Brody, Jason Schwartzman (der mit Cousin Roman Coppola und Wes Anderson am Drehbuch schrieb) und der mir sonst so ungeliebte Owen Wilson sind nicht nur ausgezeichnet besetzt, sie verhelfen ihren Figuren auch zu ungewöhnlicher Tiefe, die man hier eigentlich gar nicht erwartet. Überhaupt schlägt Anderson teils auffallend ernste Töne an. Wunderbarerweise stören diese Elemente nicht, sie verstärken vielmehr inhaltlich und atmosphärisch. Zu weiteren liebenswerten Spielereien gehören auch witzige Gastauftritte von aus früheren Anderson-Filmen bekannten Stars.

Eine große Stärke von Anderson war schon immer die filmische Umsetzung seiner Geschichten. The Darjeeling Limited ist in dieser Beziehung fast schon perfekt. Zumindest trifft er mit seiner Arbeit genau meinen Geschmack. Der Film ist, wie schon seine Vorgänger (z.B. The Royal Tenenbaums und besonders Die Tiefseetaucher) quietschbunt und brillant ausgestattet. Die Sets strotzen vor Detailreichtum, die Farben sind grell und vielfältig. Auch die Kameraführung ist großartig. Die Einstellungen sind lang und beobachten oft die Gesichter der Darsteller. Viele Fahrten und Schwenks sorgen für Dynamik. Faszinierend einmal wieder, dass sich die Setbauten diesem Stil unterwerfen. So kann es vorkommen, das örtlich getrennte Ereignisse mittels eines gebauten Sets gezeigt werden – toll! Auch musikalisch trifft Anderson meinen Geschmack. Die ausgewählten Titel sind wohlbedacht und unterstützen die Atmosphäre.

Nach einigen kritischen Stimmen zum Film ging ich eher skeptisch ins Kino, wurde aber positiv überrascht und nicht enttäuscht. The Darjeeling Limited ist keineswegs langweilig und uninteressant. Der Film fesselt von der ersten Minute durch nie enden wollenden Detailreichtum, liebenswerte Charaktere, eine skurrile Geschichte und eine brillante Umsetzung. Dicke Empfehlung für diese etwas andere Art von Film!

9/10 Pillen zur Entwöhnung

(auch auf kino.de)

Von Löwen und Lämmern

Posted in Cinemanie with tags , , , , , , on Freitag, 9. November 2007 by mediensucht

Die USA steckt momentan in einer politischen Krise … nein, halt! Ist es eine politische Krise, wenn die Amerikaner wieder über sich selbst reflektieren, das Handeln der herrschenden Kräfte hinterfragen, Interesse an Ihrem wahren Bild nach außen haben? Schnell wird bei Kritik immer nach Anti-Amerikanismus gerufen, doch ist es nicht überaus patriotisch, sich um das eigene Land zu sorgen und die Zustände verbessern zu wollen?

Ernsthafte USA-kritische Filme gab es schon immer. Uns allen sind auch noch die selbstverliebten Filme eines Michael Moore in Erinnerung, der in schöner Schwarz-Weiß-Malerei ein recht eigenartiges Bild der vereinigten Staaten zeichnete. Nun kommen demnächst äußerst kritische Filme von der sogenannten „Intelligenz“ in die Kinos. Ein Erster ist Von Löwen und Lämmern von Robert Redford.

Es mag einfach erscheinen, in Zeiten schlechter Umfragewerte für die aktuelle Regierung einen Film zu drehen, der sich die Probleme selbiger zum Thema nimmt. Recht günstig erweist sich auch der Umstand, dass aktuell anlaufende kritische Filme traditionell besonders gute Chancen bei der Academy (of Motion Picture Arts and Sciences) haben, die Anfang nächsten Jahres die Oscars vergibt. Solche Hintergedanken möchte ich Redford aber nicht vorwerfen, vielmehr meine Anfangsüberlegung fortführen. Redford war schon immer ein zeitkritischer, linksliberaler Geist, der sich auch für die Rechte der Ureinwohner Amerikas und den Umweltschutz stark machte. So ist es nicht erstaunlich, das Redford den Anfang der kritischen Filme (Redacted, Rendition) zur Problematik im nahen Osten macht.

Von Löwen und Lämmern ist kein Reißer, sondern eine präzise Studie der aktuellen politischen Situation in den USA. Man könnte fast von einem Kammerspiel sprechen. Redford erzählt drei Geschichten, die miteinander verbunden sind und zeigt so die Auswirkungen der aktuellen Politik auf verschiedene Bereiche der Bevölkerung. Da ist der Senator (Tom Cruise) und die Reporterin (Meryl Streep): Er versucht die Krise mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln (Militär) zu lösen und es, mit dem Gedanken an die nächste Wahl, über die Presse der Bevölkerung zu verkaufen. Dieser Teil war für mich der interessanteste. Beeindruckend, wie viele Aspekte hier angesprochen werden. Eine Wertung gibt Redford nur dezent. Auch maßt er sich nicht an, die genauen Gründe für die Misere im nahen Osten zu liefern. Das für mich entscheidende Thema Waffenlobby wird erst gar nicht erwähnt. Redford zeigt aber auf faszinierende Weise, wie die Politik und das Zusammenspiel mit den Medien gerade funktionieren (Abhängigkeiten).

Die unmittelbaren Auswirkungen auf die Soldaten (und damit auf die untere Schicht der Bevölkerung) thematisiert Redford in einem zweiten Erzählstrang. Hier kommt auf recht einfache Weise die Hilflosigkeit bzw. Abhängigkeit des Militärs von der Politik zum Ausdruck. Redford hütet sich auch hier vor klaren Schuldzuweisungen.

Es ist bis dahin ein recht düsteres Bild, das Redford hier malt. Im dritten Erzählstrang gibt er aber Hoffnung. Wie sieht es im Seelenleben der „Intelligenz“ an den Universitäten der USA aus? Redford sieht es als seine Aufgabe an, der Resignation entgegen zu wirken und anzupacken. Und hier sind wir wieder bei einem ur-amerikanischen Thema. Genau diese Einstellung hat Amerika stark gemacht und wird es aus der Krise bringen. So ist Von Löwen und Lämmern ein überaus patriotischer Film – und zwar in positivem Sinne!

8/10 Pillen zur Entwöhnung

(für kino.de)

Persepolis

Posted in Cinemanie with tags , , , , , on Dienstag, 6. November 2007 by mediensucht

Eine Geschichte aus 1000 und einer Höllennacht

Persepolis war die Hauptstadt des antiken Perserreiches. Der Film Persepolis ist aber die Geschichte eines Mädchens bzw. einer jungen Frau im Iran seit den 1970er Jahren. Dabei handelt es sich um die Autobiografie von Marjane Satrapi, die ihre Lebensgeschichte Anfang der 2000er Jahre als Comic veröffentlichte. Mit einer sehr kindlichen Bebilderung erzählte sie über ihre harte Jugend in der Zeit der Islamischen Revolution und setzte einfache Schwarz/Weiß-Bilder gegen dramatischen Inhalt. 2004 wurde ihr Werk zum Comic des Jahres gewählt.

In diesem Jahr erscheint nun der Film zum Comic. Zusammen mit Vincent Paronnaud setzte Satrapi ihr Comic in bewegte Bilder um. Dabei blieben sie nah an der Vorlage, nicht ohne die Möglichkeiten des Mediums Film für sich auszunutzen. Mir war gar nicht bewusst, wie beindruckend Schwarz/Weiß-Bilder in bewegtem 2D aussehen können. Erst erinnern die Sequenzen an Kinderfilme wie Heidi oder Wicki, um dann mit düsteren Einstellungen die Ernsthaftigkeit der damaligen Situation klar zu machen. Alles ist in Bewegung, die Perspektiven wechseln, mit Licht und Schatten wird wunderbar gespielt. Damit hebt sich der Film klar vom Comic ab und bekommt noch eine viel höhere Dimension.

Die Geschichte an sich ist überaus tragisch. Die kleine Marji wächst mit ihren liberalen Eltern in den 1970er Jahren in Teheran auf. Trotz aller Hoffnung nach dem Schahsturz wird das Land von den neuen Herrschern in den nächsten Abgrund geführt. Das Exil in Wien lässt Marji ihre Herkunft nur kurz vergessen. Sie findet sich nicht wirklich zurecht in dieser anderen Welt. Satrapi schildert bemerkenswert schonungslos die Verhältnisse, ohne einen Anspruch auf eine wahrhafte historische Einordnung zu haben. Vielmehr erzählt sie aus der Sicht eines kleinen Mädchens bzw. einer jungen Frau.

Beachtlich bei all der Dramatik ist, dass der Humor nicht vergessen wurde. Immer wieder bricht die Erzählweise aus, um dem Gräuel mit Übertreibung, Sarkasmus und munterem Witz etwas entgegen zu setzen. Das Timing ist gut, auch besinnliche Elemente haben ihren Platz. Die Geschichte wird interessant oder unterhaltsam erzählt. Gegen Ende verliert der Film etwas an Tempo, was den hervorragenden Gesamteindruck jedoch nicht trübt.

Satrapi ist mit Persepolis ein bemerkenswerter Film gelungen, der gegensätzliche Elemente gekonnt zusammenbringt, gut unterhält und dennoch ein spannendes und interessantes Bild vom Iran zeichnet, das hoffentlich einerseits zu mehr Verständnis führt, aber andererseits auch die Notwendigkeit von politischem Handeln klar macht.

8/10 Pillen zur Entwöhnung

(ebenfalls veröffentlicht auf kino.de)

Jesse James

Posted in Cinemanie with tags , , , , , on Freitag, 26. Oktober 2007 by mediensucht

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford ist zu lang (nicht allein von der Titellänge her). Allerdings ist das für mich die einzige Schwäche des Films. Da sich Regisseur Andrew Dominik so viel Zeit lässt, sind ihm zwei außergewöhnlich tiefe Porträts der titelgebenden Protagonisten gelungen. Er widmet sich dabei nicht nur dem „Nationalhelden“ Jesse James, sondern eben auch dessen Mörder Robert Ford. Dabei nähert er sich nicht auf reißerische Weise, sondern versucht nah an den historischen Fakten zu bleiben, ohne aber das eigene Interpretieren zu vergessen. Mit vielen kleinen Szenen charakterisiert er die beiden Hauptfiguren und deren Umfeld und lässt somit ein gewisses Nachvollziehen deren Handlungen zu. Die Charaktere sind sehr komplex. Es gibt kein einfaches Schwarz oder Weiß, was sich schon an der Tatsache erkennen lässt, dass die Amerikaner lieber den Banditen ehren als dessen Mörder.

Dass der Film dabei wertfrei sein soll, ist schlicht falsch, was am Titel schon zu erkennen ist. Weder Jesse James noch Robert Ford kommen gut davon. Ford wird zwar als Feigling und Weichei par excellence dargestellt, es wird aber nicht vergessen, die möglichen Gründe dafür zu zeigen. So wurde er meistens schlecht behandelt, holte sich schon in früher Kindheit einen Knacks in der Seele und wurde letztendlich von seinem Idol bitter enttäuscht. Dass James bei seiner Ermordung schon Heldenstatus besaß, war für Ford nicht gerade günstig. Auch James und seine Anhänger werden nicht als Helden glorifiziert. Vielmehr waren sie wohl streitlustig, launisch und wenig loyal. James selbst maß oft mit zweierlei Maß. Gegenüber seiner Familie und seinem Alltagsumfeld nett und redlich, war er bei Raubüberfällen brutal und selbstverliebt. Diese Zerrissenheit der Seele bringt Brat Pitt als Jesse James ausgezeichnet auf die Leinwand. Auch Casey Affleck glänzt als unsicherer, psychisch labiler Robert Ford.

Regisseur Dominik verzichtet fast gänzlich auf Knalleffekte. Die Spannung bezieht der Film aus dem Zusammenspiel seiner Figuren. Großen Anteil am Gelingen des Films haben auch Nick Cave bzw. Warren Ellis, deren zurückhaltender Score die psychische Spannung dezent unterstützt, und natürlich Roger Deakins. Dem Meister hinter der Kamera sind wieder wunderbare Bilder gelungen, die dem Film optisch den in der Handlung unerwünschten Knalleffekt geben.

Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford ist ein großartiges Porträt eines Helden und eines Antihelden geworden, bei dem die Zuordnung von Gut und Böse schwer fällt. Keiner der Hauptfiguren ist wirklich sympathisch. Für mich war der Film historisch interessant und die Charaktere faszinierend. Damit ist der Film für Menschen mit Interesse an historischen Figuren eine Empfehlung wert!

8/10

(ebenfalls erschienen auf kino.de)